The underestimated danger in a company - FUBAR through HIPPO
Jeden Tag kommt es vor, dass gut gemeinte Management-Beschlüsse Situationen schaffen, die Tom Hanks als "FUBAR" bezeichnen würde (fucked up beyond all recognition). Der folgende Beitrag arbeitet das Thema des HIPPO-Phänomens humorvoll auf, gibt wertvolle Marketing-Ideen für zukünftige Produkteinführungs-Maßnahmen und zeigt zusätzliche Perspektiven, die zu mehr Awareness beim Entscheidungsprozess führen. Damit man das nächste Mal, wenn nichts weitergeht und man das Gefühl hat, dringend eingreifen zu müssen, an diesen Beitrag zurückdenkt und die Kirche vielleicht im Dorf lässt.
Okay, ich gebe zu, wer Entscheidungen trifft, liegt auch oft daneben – das gehört eben zur Natur der Dinge.
Folgende Aussage würden die meisten von uns wohl unterschreiben: "Entscheidungen sollten von denen getroffen werden, die über die meiste Fachkompetenz und Informationen verfügen."
Die Realität sieht jedoch oft so aus: "Ich verdiene mehr als du, wir machen das so, ich übernehme die Verantwortung."
Sagt Hallo zur bestbezahlten Meinung im Raum. Sagt Hallo zu unserem alten Freund, dem HIPPO-Phänomen (Highest Paid Person's Opinion).
Disclaimer: Ja, ich weiß, ihr habt das schon drölf Mal gehört und kennt es in- und auswendig. Nichts von dem, was jetzt kommt, ist neu. Ich möchte euch nur wieder daran erinnern. Es muss ja einen Grund haben, warum das Phänomen noch immer allgegenwärtig ist. Außerdem habe ich ein paar interessante Ideen für euch im Beitrag eingearbeitet. Vielleicht lohnt es sich also doch weiterzulesen.
Das HIPPO-Phänomen tritt immer dann auf, wenn die Meinung der höchstbezahlten Person im Raum den Ausschlag gibt, selbst wenn diese Person nicht unbedingt die meiste Fachkompetenz hat. Oft geschieht dies, weil diese Person entweder glaubt, mehr vom Thema zu verstehen als die am Projekt arbeitenden Fachleute, oder sich nicht über die Tragweite ihrer Entscheidungen im Klaren ist.
Entscheidungsfindung ist eine Kerndisziplin des Managements, und es gibt dazu eine Vielzahl von Methoden sowie unzählige Bücher. Trotzdem hat sich in allen Branchen, Gehaltsstufen und Unternehmensgrößen die intuitive Methode "Ventriculum Consultatio" – die berühmte Bauchentscheidung – breitgemacht, obwohl genügend Informationen und Zeit vorhanden gewesen wären, um qualitativ hochwertigere Outcomes zu erarbeiten.
Chaos durch Unsicherheit, Unwissenheit und Ungeduld
Es ist oft noch schlimmer: Häufig entsteht der Entscheidungsdruck des Managements aus versteckter Langeweile oder Angst.
Langeweile: Die Fachleute arbeiten "zu lange" an etwas und man möchte es beschleunigen, fordert einen Zwischenstand an und möchte mit Fragen und Änderungswünschen den Prozess beschleunigen.
Angst vor Stagnation: Die Fachleute ändern nichts und es funktioniert offensichtlich nicht. Dies ist ein klassischer Fall bei Werbe-Assets und Webseiten.
Angst vor Blamage: Die Fachleute benötigen eine Entscheidung, um weiterarbeiten zu können. Sie erklären die Situation und schlagen zwei Lösungen vor: eine altbewährte und eine neue, für das Management ungewohnte. Die altbewährte Lösung kommt von einem Mitarbeiter mit Teamleiterposten, die neue ungewohnte Lösung von einem teuren Experten, der tiefer in der Materie steckt, aber weniger Dienstjahre hat. Aufgrund von "gefühltem" Entscheidungsdruck und der Angst, sich zu blamieren, wenn man nachfragt, wird eine Entscheidung getroffen, die nicht auf Fachwissen basiert und eventuell fatale Auswirkungen haben könnte. Zum einen wird der Projekterfolg gefährdet, zum anderen verliert mindestens eine Person einen Teil ihres Vertrauens in das Management und somit in die Firma.
Gerne werden dann noch Empfehlungen ignoriert, Anforderungen und Projektumfang zusammengestrichen oder stark abgeändert, und plötzlich hat man Slider, ChatGPT-Texte, Stock-Images und Popups auf den Webseiten und/oder wirbt mit ihnen, obwohl sich die Fachleute einig waren, dass dies unbedingt vermieden werden sollte.
Die veränderte Projektbasis wirft komplette Planungen und Einschätzungen von Dritten über den Haufen, z.B. Projektbeteiligte, die auf Erfolgsbasis mitarbeiten, da diese durch den vorherigen Projektumfang vom Erfolg überzeugt waren, oder Werbedienstleister, die dachten, sie erhalten "alles, was sie brauchen und natürlich Videos".
Unfassbar schnell entsteht eine unglückliche Verkettung von Fehlentscheidungen, Folgeentscheidungen und Vertrauensverlusten, die zu Motivationsminderung führen. Ausgelöst vom Moment, als jemand trotz Planung keine Geduld hatte. Wie der berühmte Schmetterlingsschlag in der Chaostheorie.
Teuer ist es obendrein
Jeder möchte die monetären Ressourcen effizient einsetzen, und genau dieser Faktor führt oft zur HIPPO-Entscheidungsverkettung. Tatsächlich erzeugt das erzwungene Hin-und-Her zusätzliche Mehrkosten, aufgeteilt in unmittelbare und mittel- bis langfristige Mehrkosten. Unmittelbar steht meist die aufgewendete Zeit im Vordergrund, diese Kosten sind oftmals noch überschaubar. Spannend wird es mittel- und langfristig.
Praxisbeispiel:
Im Rahmen einer Produkteinführung werden initial folgende Assets beschlossen:
- Produktbilder mit erklärendem Charakter
- Erklärungsvideo mit gesprochenen Inhalten und Untertiteln
- Produktbeschreibungen, die kundenzentriert die wichtigsten Perspektiven beleuchten
- Eine FAQ, die sich initial aus den Fragen eines beworbenen Social Media Live Chats ergibt
- Dynamisierte Headlines und Einführungstexte, passend zum jeweiligen Werbemittel
- Bewegtbild-Werbemittel mit Untertiteln, passend zur beschlossenen Problem/Lösung/Angebot Awareness-Kommunikation
- Landingpages, passend zur jeweiligen Awareness-Stufe
- Serverseitiges Tracking
- X Euro kalkuliertes Mediabudget
Es sind alle Assets auf den Landingpages eingebaut, außer dem Bewegtbild-Content und der FAQ. Bewegtbild-Content und Live-Chat-Session sind noch nicht passiert. Warum auch immer. Der Videoeditor wartet und ist gebucht.
Der Tag der geplanten Produkteinführung rückt unaufhaltsam näher, alle warten. Nach dem vierten Meeting, in dem nachgefragt wurde, wann die Videos kommen, bekommt man die Nachricht, man solle doch mal ohne die Videos und ohne Live-Chat-Session starten. Andere Firmen schaffen es auch ohne Video, und einen Social Media Live Chat hat noch keiner der Mitbewerber gemacht – scheint uninteressant.
Genau in diesem Moment bin ich innerlich gestorben.
- Ohne Video kein Bewegtbild-Content auf der Landingpage = niedrigere Verweildauer, mehr Absprünge, weniger Conversions.
- Ohne Bewegtbild-Content in der Werbung = höhere Kosten der Reichweite, weniger Klicks, weniger Engagement, weniger Werbeeffizienz.
- Kein Social Media Live Chat = geratene FAQ = mehr unbeantwortete offene Fragen, weniger Verweildauer, weniger Conversions, mehr Absprünge.
- Weniger Conversions und mehr Absprünge = schlechtere objektive Landingpage-Relevanz/Effizienz = höhere Werbekosten.
- Weniger Conversions und höhere Werbekosten = schlechtere Performance der Markteinführung = eventuell gescheitert = Rattenschwanz an BWL-Entscheidungen, die zukünftige Markteinführungen beeinflussen und Jobs aufs Spiel setzen.
- Der Video Editor wartet noch heute.
So kann es besser laufen
Momente der Ungeduld, Angst und erzwungene Entscheidungsfindung sind normal. Hier sind einige Vorschläge zur Verbesserung der Entscheidungsfindung:
Kompetenz anerkennen: Entscheidungen sollten auf der Basis von Fachwissen und nicht von Hierarchien getroffen werden. Fachleute sollten bei Entscheidungen, die ihr Fachgebiet betreffen, das letzte Wort haben. Hat man das Vertrauen verloren, sollte man eine fachlich fundierte Zweitmeinung einholen von einer Person mit dem relevanten Kompetenzspektrum. Diskussionen zwischen den Fachpersonen führen oftmals zu neuen, verbesserten Sichtweisen und Lösungen. Man beachte: Unterschiedliche Personen haben unterschiedliche Perspektiven. Lassen Sie die betroffenen Personen GEMEINSAM Vorschläge zur Entscheidungsfindung machen.
Transparenz und Kommunikation: Stellen Sie sicher, dass Entscheidungsprozesse transparent sind und alle Beteiligten über den aktuellen Stand informiert werden. Offene Kommunikation fördert das Vertrauen und reduziert das Risiko von Fehlentscheidungen durch Missverständnisse oder fehlende Informationen.
Schulung und Weiterbildung: Investieren Sie in die Schulung und Weiterbildung Ihrer Führungskräfte und Mitarbeiter, um sicherzustellen, dass sie über die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Dies kann durch regelmäßige Trainings, Workshops und den Austausch von Best Practices erreicht werden. Auch Management-Workshops zu bekannten Entscheidungsfindungsmethoden können von Vorteil sein.
Feedback-Kultur etablieren: Fördern Sie eine Kultur, in der Feedback geschätzt und beidseitig eingeholt wird. Management sollte Feedback zu den Entscheidungen vom Fachpersonal einholen, am besten bevor umgesetzt wird. Diese Instanz kann besonders gut im Rahmen einer teamweiten Projekt-Planungs-/Milestone-Besprechung eingeführt werden.
Agile Methoden anwenden: "Wasserfall Methode" fördert das oben beschriebene Problem. Mit agilen Methoden, welche regelmäßige Sprints und Feedbackschleifen beinhalten, können Entscheidungen kontinuierlich überprüft und angepasst werden, was das Risiko von Fehlentscheidungen verringert und die Flexibilität erhöht.
Und am wichtigsten: Macht den Mund auf und kommuniziert!
Bis zum nächsten Mal :-)
Herzlichst, Earnst